Gemeinsamer Weg für Radfahrer und Fußgänger: Wer hat Vorrang?
OGH |2 Ob 38/23m|21.03.2023
Der OGH (Oberster Gerichtshof) hat kürzlich entschieden, dass sich aus dem Gesetz kein Gebot des Fußgängers ableiten lässt, auf einer für Fußgänger und Radfahrer bestimmten Verkehrsfläche, sich nur auf der rechten Hälfte des Weges bewegen zu dürfen.
Anlass zu dieser Entscheidung war eine Klage auf Schadenersatz durch einen Radfahrer. Dieser war mit seiner Gattin mit Fahrrädern auf einem Weg, der zur erkennbaren Widmung des Fußgänger- und Fahrradverkehres zählt, unterwegs. Sie näherten sich einem 11-jährigen Kind (Beklagte), das gemeinsam mit seiner Schwester und dem an der Leine geführten Hund auf diesem Weg vor ihnen unterwegs waren. Der Kläger und seine Gattin machten sich gegenüber den Fußgängern nicht bemerkbar und beabsichtigten diese links zu überholen. Kurz vor dem Überholmanöver bewegte sich die Beklagte nach links und die Gattin musste kurzfristig nach links ausweichen und bremsen. Wegen seines zu geringen Tiefenabstandes prallte der Kläger mit seinem Fahrrad gegen das Hinterrad seiner Gattin, kam dabei zu Sturz und verletzte sich.
Wohl haben alle Verkehrsteilnehmer Sorgfaltspflichten und Verkehrssicherungspflichten einzuhalten, wie beispielsweise die körperliche Unversehrtheit und das Eigentum eines anderen nicht zu gefährden. Da der Kläger die Beklagte als Fußgängerin jedoch nicht auf seine Näherung aufmerksam gemacht hat (bspw. durch entsprechende Abgabe eines Warnzeichens nach § 22 StVO), durfte sie darauf vertrauen, dass kein Radfahrer naht und durch ihren Schritt nach links gefährdet werden könnte.