Es ist unzulässig, den Arbeitsvertrag wiederholt so zu befristen, dass das Arbeitsverhältnis immer zu jenem Zeitpunkt endet, zu welchem ein Auftrag, mit dem der Arbeitnehmer betraut wird, ausläuft. Es ist allein das unternehmerische Risiko des Arbeitgebers, genügend Aufträge zu akquirieren, um bereits vorhandene Arbeitnehmer beschäftigen zu können. Im Falle eines unzulässigen Kettenarbeitsvertrags hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Schadenersatz.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) bekräftigte in einer aktuellen Entscheidung seine ständige Rechtsprechung zum Thema unzulässige Befristung von Arbeitsverträgen.
Die Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverhältnisse ist mit einer für den Arbeitnehmer nachteiligen Unsicherheit für seine weitere berufliche Zukunft verbunden und birgt in hohem Maß die Gefahr der Umgehung zwingender Rechtsnormen. Kettenarbeitsverträge sind daher nur dann rechtmäßig, wenn die Aneinanderreihung einzelner auf bestimmte Zeit abgeschlossener Arbeitsverträge im Einzelfall durch besondere soziale oder wirtschaftliche bzw. organisatorische oder technische Gründe gerechtfertigt ist.
Im Zweifel ist vom Bedarf eines dauernden, das heißt unbefristeten Dienstverhältnisses auszugehen.
Die erste Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist grundsätzlich zulässig, ohne dass es außerhalb sondergesetzlicher Regelungen einer sachlichen Rechtfertigung bedarf. Aber bereits die erste Verlängerung auf bestimmte Zeit ist darauf zu prüfen, ob damit nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers die Bestimmungen des Kündigungsschutzes oder (auch) die gesetzlichen Vorschriften über Kündigungsfristen und Kündigungstermine umgangen werden. Je öfter die Aneinanderreihung erfolgt, desto strenger sind die inhaltlichen Anforderungen an die Rechtfertigungsgründe.
Die Anforderungen an die Rechtfertigung dürfen zwar nicht überspannt werden und es können für die sachliche Rechtfertigung einer Verlängerung auch wirtschaftliche Gründe in Frage kommen.
Diese Gründe können sich aber nicht in der bloßen Überwälzung des typischen Unternehmerrisikos erschöpfen. Nicht jede betriebswirtschaftliche Überlegung kann ein Rechtfertigungsgrund sein. So ist es keine sachliche Rechtfertigung für eine Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverträge, dass sich der Arbeitgeber die Möglichkeit offenhalten will, bei Rückgang der Konjunktur die Zahl der Arbeitnehmer sofort zu vermindern, zumal hierdurch bloß ein typisch vom Unternehmer zu tragendes Risiko auf die Arbeitnehmer abgewälzt werden würde. Ganz allgemein ist die Ungewissheit über den Stand der Aufträge ein typisches Betriebsrisiko.
Beispiele für unzulässige Kettenarbeitsverhältnisse bei Piloten, Nachhilfelehrern und Trainern
In einem Fall erkannte der OGH auf das Vorliegen eines unzulässigen Kettenarbeitsverhältnisses, in dem eine Fluggesellschaft mit einem Flugkapitän, welcher von ihr für Flugzeuge eines bestimmten Typs (Fokker 50) eingestellt war, deshalb wiederholt befristete Dienstverträge abschloss, weil sie nicht wusste, wann sie den Flugzeugtyp ausscheiden und daher den Flugkapitän nicht mehr benötigen würde. Die Ungewissheit über den Zeitpunkt des Abbaus der Flugzeuge des vom Kläger geflogenen Typs stellt ein typisches Unternehmerrisiko dar, dessen Überwälzung auf den Arbeitnehmer im Wege der Aneinanderreihung befristeter Dienstverträge unzulässig ist (9 ObA 2220/96b).
In einem Fall von Nachhilfelehrern, die in einem „Institut für Lernhilfekurse“ Kurse abhielten und hierfür jeweils für die Dauer eines Kurses befristete Arbeitsverträge abschlossen, wobei sie über den Großteil des Jahres beschäftigt waren, wurde ebenso auf das Vorliegen unzulässiger Kettenarbeitsverträge erkannt. Durch die ausschließlich an dem sich jeweils ergebenden Bedarf des Arbeitgebers orientierte Gestaltung der Arbeitsverhältnisse sei das gesamte Beschäftigungsrisiko auf die Arbeitnehmer überwälzt worden (8 ObA 2158/96b).
In einem Fall, in dem die Arbeitgeberin die wiederholte Befristung des Arbeitsvertrags damit verteidigte, sie könne die auf Kündigungsentschädigung klagende, als Trainerin im Bereich Bewerbungstraining, Berufsorientierung und Jobcoaching beschäftigte Arbeitnehmerin nur im Rahmen von bei öffentlichen Ausschreibungen erhaltenen Aufträgen beschäftigen, wurde gleichfalls auf das Vorliegen unzulässiger Kettenarbeitsverträge erkannt. Erneut wurde ausgesprochen, dass es nicht zulässig sei, dass sich die von der Arbeitgeberin gewählte Gestaltung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmerin ausschließlich am Bedarf der Arbeitgeberin orientiere, zumal damit letztlich das gesamte Beschäftigungsrisiko auf die Arbeitnehmerin überwälzt würde (9 ObA 118/14i).
Im gegenständlich entschiedenen Fall war die Lage nicht anders.
Die Arbeitgeberin befristete den Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers wiederholt so, dass das Arbeitsverhältnis immer zu jenem Zeitpunkt endete, zu welchem ein der Beklagten vom AMS erteilter Auftrag, für welchen der Kläger einsetzbar war, auslief. Es ist aber allein der unternehmerischen Sphäre der Beklagten als Arbeitgeberin zuzurechnen und damit ihr Risiko, ob es ihr gelingt, genügend Aufträge zu akquirieren, um ihre bereits vorhandenen Arbeitnehmer – hierunter der Kläger – beschäftigen zu können. Dieses Risiko darf nicht durch eine wiederholte Befristung des Arbeitsvertrags auf Arbeitnehmer überwälzt werden. Entgegen der Ansicht der Beklagten in der Revisionsbeantwortung ist der Erhalt von Aufträgen des AMS kein externer, von ihr völlig unbeeinflussbarer Faktor, vergleichbar jenem der „toten Saison“ in diversen Branchen. Im Unterschied zur „toten Saison“ kann die Beklagte hier nämlich die Erteilung von Aufträgen an sie durch ihre Anbote an das AMS (oder auch an andere Organisationen und öffentliche Stellen, die Drittfirmen mit Ausbildungsmaßnahmen betrauen) selbst beeinflussen. Gelingt der Beklagten als Arbeitgeberin keine hinreichende Auftragsbeschaffung, stellt ihr die Rechtsordnung das Rechtsinstitut der Kündigung zur Verfügung. Eine – hier vorliegende – Umgehung dessen ist unzulässig.
Ein Arbeitnehmer soll nicht gezwungen werden, ein durch eine ungerechtfertigte Auflösungserklärung belastetes Arbeitsverhältnis fortzusetzen und hat Anspruch auf Schadenersatz.
Im Fall ungerechtfertigter Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber sieht das ABGB einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Kündigungsentschädigung vor. Danach hat der Arbeitnehmer einen Schadenersatzanspruch auf das Entgelt für jenen Zeitraum, der bei ordnungsgemäßer Kündigung durch den Arbeitgeber bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses hätte verstreichen müssen.
Gleiches gilt, wenn bei einem unzulässigen Kettenarbeitsvertrag der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mitteilt, das Arbeitsverhältnis laufe mit dem Erreichen der – vermeintlich wirksamen – Befristung aus. Der klagende Arbeitnehmer hat damit Anspruch auf Kündigungsentschädigung.
OGH 9 ObA 4/18 f, 25.04.2018
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